Die Tiroler EU-Abgeordnete Barbara Thaler berichtet direkt aus dem europäischen Parlament über das Abkommen zum Brexit.

Es war der 23. Juni 2016, an dem sich knapp 52 Prozent Prozent der Briten in einer Volksabstimmung für den Austrittaus der Europäischen Union entschieden haben. Von diesem Tag an war der Brexit real. Viele von uns waren geschockt, dass so etwas in der Geschichte der EU passiert. Unsicherheit darüber, wie es weitergeht machte sich breit. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass es beim Brexit keine Gewinner, sondern nur Verlierer gibt. Aber alles der Reihe nach.

Laut EU-Verträgen haben Mitgliedsstaaten für den Austritt zwei Jahre Zeit. Aus diesen zwei Jahren wurden durch viele Fristverlängerungen rund 4,5 Jahre, da eine Einigung zwischen der EU und Großbritannien in vielen Punkten mit großen Schwierigkeiten verbunden war. Über den Fahrplan, die besondere Situation von Nordirland und die Fischerei wurde viel gestritten. Trennung tut weh. Der 31.12.2020 war dann letztendlich der Stichtag für den Austritt. Vorher herrschte noch langes Zittern, weil ein „Hard Brexit“ im Raum stand, der noch größeren Schaden angerichtet hätte. Das in letzter Minute beschlossene Abkommen regelt die Gestaltung der künftigen Handelsbeziehungen und ist bereits vorläufig in Kraft. Jetzt werden die knapp 1.250 Seiten noch vom EU-Parlament geprüft und voraussichtlich stimmen wir im Februar darüber ab. Das EU-UK Abkommen kam sehr spät, aber besser spät als nie.

"Das EU-UK Abkommen kam sehr spät, aber besser spät als nie"

Das Vereinigte Königreich hat somit den europäischen Binnenmarkt und die Zollunion verlassen. Dadurch profitiert Großbritannien nicht mehr vom Grundsatz des freien Warenverkehrs. Das bedeutet, dass wir trotz des Abkommens mit erheblichen Hindernissen rechnen müssen. Die direkten Nachbaren trifft es bereits besonders hart: In den ersten beiden Wochen des Jahres blieben durch Lieferengpässe viele Supermarktregale in Irland leer. Zudem gibt es keinen einheitlichen Verkehrsbinnenmarkt für Transportunternehmer mehr. Das bedeutet nicht nur große Hindernisse für den Warenhandel, sondern auch für die Mobilität. Nicht auszudenken, wenn am Übergang Dover-Calais in Stoßzeiten durchschnittlich bis zu 10.000 Lastwagen am Tag abgefertigt werden sollen. Hier wird das geflügelte Wort „Auf Sicht fahren“ vom Namen zum Programm.

Seit einigen Wochen versuche ich selbst erfolglos ein Weihnachtspacket nach Großbritannien zu verschicken. Ein innereuropäischer Austausch des 21. Jahrhunderts sieht wahrlich anders aus.Auch in Bezug auf Dienstleistungen wird das Leben nicht einfacher, schließlich gibt es zukünftig keine Erleichterungen bei der Anerkennung von Berufsqualifikationen mehr. Die so lange und hart erstrittene Roaming-Gebühren-Befreiung entfällt ebenso. Ein großer Wermutstropfen ist, dass das Vereinigte Königreich beschlossen hat, nicht mehr an dem Austauschprogramm Erasmus teilzunehmen. Zu allem Überfluss wird bei einem Aufenthalt, der länger als 90 Tage andauert, sogar ein Visum fällig. Ganz zu schweigen von den Kosten für Arbeitsvisa.Insgesamt wird es die Reisefreiheit, wie wir sie innerhalb der EU kennen, nach Großbritannien so nicht mehr geben. In Zukunft werden sich also viele gewohnte Dinge ändern. Zusätzlich spüren wir den Austritt Großbritanniens beim EU-Bruttoinlandsprodukt und das hat Auswirkungen auf die wirtschaftliche Bedeutung der Europäischen Union.

Für mich zeigt sich, dass wir uns noch stärker bewusst sein sollten, wie wichtig und bereichernd – bei all den Problemen die es zu lösen gibt – eine vereinte Europäische Union ist. Damit es in Zukunft wieder mehr Gemeinschaftsgefühl, statt Trennungsschmerz heißt.